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Theater Nikola Landshut e.V.

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Landshuter Zeitung vom 22. Oktober 2012

 

Gespenster der Vergangenheit

Das Theater Nikola lehrt mit "Veronicas Zimmer" das Fürchten

Mit Fremden mitgehen sollte man nicht, das bekommen schon die kleinsten Kinder gepredigt. Wenn zwei Menschen aber so schrecklich nett sind wie Maureen (Gaby Butz) und John (Rudolf Karl), die Dienerschaft der reichen Familie Brabissant, wie könnte die quirlige und vor Selbstbewusstsein strotzende Studentin Susan (Michaela Karl) ihnen den Gefallen abschlagen, kurz ein wenig Theater für sie zu  spielen und damit eine gute Tat zu vollbringen? In Begleitung ihres neuen Freundes Larry (Martin Karl) wiegt Susan sich natürlich erst recht in Sicherheit und stürzt sich unbekümmert ins Abenteuer, geradewegs zurück ins Jahr 1935.

Wie ihre Zeitreise zu einem ungeahnten Horrortrip wird, konnte das Premierenpublikum des Theaters Nikola am Samstagabend im voll besetzten Pfarrsaal der Pfarrei Nikola mitverfolgen. Auf engstem, in unheilvolles rot getauchtem Raum inszeniert Regisseur Rudolf Karl den Psychothriller "Veronicas Zimmer" des amerikanischen Erfolgsautors Ira Levin als intimes Kammerspiel, weckt klaustrophobische Ängste und hält dabei 90 Minuten Spannung. Dabei agiert der Regisseur selbst bravourös als einer  der vier Darsteller.

Mit etwas Schmeichelei können John und Maureen die junge Susan schnell von ihrer frappierenden Ähnlichkeit mit Veronica Brabisant überzeugen, die angeblich als junges Mädchen an Tuberkulose gestorben ist. Veronicas Schwester Cissie, inzwischen alt, krank und geistig verwirrt, hält sich fürdig an ihrem Tod. Susan soll nun kurz in Veronicas Kleider schlüpfen und Cissie die Absolution erteilen.
Die anfänglich heitere Atmosphäre des Stücks schlägt abrupt um, als Gaby Butz mit feinen, subtilen Gesten immer mehr von engelhafter Freundlichkeit zu gouvernantenhafter Strenge wechselt. Den Zuschauern stellt sich damit die Frage, ob die beiden Diener am Ende doch nicht die Gutmenschen sind, für die sie sich ausgeben. Während die weißen Leinentücher in Veronicas altem Kinderzimmer gelüftet werden, verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen damals und heute, zwischen Sein und Schein, werfen Mord Und unheilvolle Verführung ihre Schatten. Während Susan ahnungslos ihre neue Identität einübt, dreht sich der Schlüssel im Türschloss und der Albtraum beginnt ... Plötzlich ist Susan nicht die einzige Schauspielerin - oder ist Susan am Ende Veronica?

Geheimnis um Geheimnis lüftet sich und treibt Susan zunehmend mit in den Wahnsinn hinein. Michaela Karl spielt die Verzweiflung und Todesangst des Mädchens glaubhaft und mit vollem körperlichem Einsatz. Martin Karl verwandelt sich vom skeptischen Jungjuristen zum rätselhaft steifen Medizinmann, während Gaby Butz und Rudolf Karl mit Leichtigkeit alle Facetten von Gut und Böse aufbieten. So wie für Veronica ein neues Puzzle wie eine neue Welt gewesen sein soll, in die sie sich hineinträumen konnte, so lässt das Nikola-Ensemble die Zuschauer die düstere Vergangenheit der Familie Brabissant wie ein kurzweiliges Puzzle rekonstruieren. Gänsehaut ist vorprogrammiert.

 

 

Maureen (Gaby Butz, links) überredet Susan (Michaela Kari), in die Rolle der Veronica zu schlüpfen. In Veronicas Kleidern wird Susan ihr zum Verwechseln ähnlich sehen, aber wird sie auch das gleiche Schicksal' ereilen? (Foto: Theater Nikola)

 

Landshut Aktuell vom 24. Oktober 2012

 

Wer ist hier verrückt?

Ira Levin spannender Psychothriller "Veronicas Zimmer" , im Theater Nikola

"Ich bin Susan, nicht Veronica!". Susan schreit und hämmert vergebens an die Wand. Zu spät merkt sie, dass sie in der Falle sitzt. Eingeschlossen in Veronicas Zimmer,versucht man Susan eine neue Identität überzustülpen. Die Zeitebenen verwischen. Susan taucht ein in die grausame, spießbürgerliche Welt der hübschen Veronica, die 1935 mit 15 Jahren ihre zwei Jahre jüngere Schwester Crissie ermordet haben soll. Ausgedacht hat sich diesen raffinierten Psychothriller Ira Levin, bekannt durch Polanskis Verfilmung seines Psychothrillers "Rosmary's Baby". Ira Levins Name steht für anspruchsvollen Psychohorror. Aus einer ganz alltäglichen Situation ' entwickelt er ein Horrorszenario, das unter die Haut geht. "Veronicas Zimmer" wird zur Schreckenskammer.

Unter der Regie von Rudolf Karl, der gleichzeitig eine tragende Rolle spielt, entwickelt sich im Theater Nikola ein spannender Theaterabend. Nach der, trotz Textkürzung, immer noch langatmigen Einleitung beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen. Wie ein Puzzle fügen sich die verwirrenden Zeitebenen zu einem Krimi der besonderen Art zusammen. Zwar fehlen Überraschungsknaller und der durch den Filmvorspann anvisierte cinematische Ansatz bleibt ohne dramaturgische Weiterentwicklung, doch die schauspielerisch~ Leistung lässt schaudern, weil Michaela Karl und Gaby Butz als  Grenzgängerinnen zwischen Realität und psychotischer Verwirrung, Angst und Wahn eine lebensnahe Natürlichkeit authentischen Erlebens herstellen.

Michaela Karl glänzt als nettes Mädchen, mehr noch in der intellektuellen Analyse strategischen Verhaltens, am stärksten in der absoluten Verzweiflung. Gaby Butz  navigiert die Figur Mrs. Mackeys mit Bravour in den gefährlichen Wahn nicht bewältigter Vergangenheit und sorgt durch ihre schauspielerische Expression für einen irritierenden Schluss. Martin Karl bleibt als Larry, der neuen Bekanntschaft Susans, zunächst sehr blass, gewinnt aber als intriganter Arzt-Komplize knallharte Konturen und auch Rudolf Karl zeigt als gewalttätiger Vater gegenüber dem allzu liebenswürdigen Mr. Mackey neue Facetten.

Interessanter Nebenaspekt ist, wie sich auf der Bühne die deutlich sichtbar verwandtschaftliche Ähnlichkeit von Michaela, Martin und Rudolf Karl im Rollenspiel verändert (Maske: Sabine und Rebecca Wiesner), indem sich die Darsteller in psychotischen Projektionen ganz neu erfinden. Die sich schon in der letzten Premiere des Theater Nikola anbahnende Familienbesetzung mit ihren dramaturgischen Fallstrikten findet in dieser Inszenierung durch das Stück selbst eine Legitimation und führt die Theater-Nikola-Horrorkabinett-Tradition gelungen weiter.


Michaela Schabel